Christchurch

 

Christchurch wurde am 4. September 2010 von einem Erdbeben erschĂŒttert. Mehrere HĂ€user wurden beschĂ€digt, Menschenleben waren nicht zu beklagen. Am 22. Februar 2011 um die Mittagszeit bebte wieder die Erde. Dieses Mal hörte die Stadt auf zu atmen. Etliche GebĂ€ude stĂŒrzten ein, 185 Menschen starben unter den TrĂŒmmern.
Ein durchgehender Bauzaun begrenzt seit dem, was einmal das Herz der zweitgrĂ¶ĂŸten neuseelĂ€ndischen Stadt war. Innerhalb dieser Absperrung (Red Zone) wird abgerissen und aufgerĂ€umt. Das Beben hat Angst und Schrecken verbreitet und Existenzen zerstört. Ein FĂŒnftel der Bevölkerung hat innerhalb einer Woche ihren Ort verlassen. Alkoholkonsum, Depressionen, Stress- und AngstzustĂ€nde nehmen zu.
Ich habe Christchurch im Januar 2012 und im Januar 2013 besucht. Was ich fand, war erschĂŒtternde Leere und Angst, eine tiefe Traurigkeit und große KrĂ€ne.
Doch man lÀsst sich hier nicht unterkriegen und dabei ist man sehr kreativ.
Wiederbelebungsversuche, wie "re:start", eine aus Schiffscontainern pfiffig zusammen gewĂŒrfelte Einkaufsmall. Oder "Gap Filler", eine Organisation, die entstandene LĂŒcken, lokal wie sozial, zu fĂŒllen versucht, sei es durch ein fahrradbetriebenes Open Air Kino, oder Dance-o-Mat, eine Open Air TanzflĂ€che mit einer mĂŒnzbetriebenen Waschmaschine, die 30 Minuten lang Licht und Strom fĂŒr iPod und Lautsprecher offeriert.
Bei meinem zweiten Besuch hat sich dieses Bild verstĂ€rkt. Die Stadt ist wieder bunter geworden, lebendiger, man improvisiert, die Touristen kommen wieder. Die Red Zone ist kleiner geworden, aber noch immer ist man mit Abbau und Reparatur beschĂ€ftigt. Es braucht Zeit, auch wenn fast so viele Helfer in die Stadt gekommen sind, wie sie verlassen haben. Der Aufbau des neuen Christchurch ist in der Planungsphase. Die Stadt hat ihre Bewohner eingeladen, VorschlĂ€ge und WĂŒnsche zu Ă€ußern. Die Resonanz war enorm.
Die Menschen hier lernen mit der Angst zu leben. "Was bleibt uns ĂŒbrig?!", sagen sie, "Wir machen das Beste draus."
Als ich Christchurch am 20.Januar 2013 verlasse, zÀhlt man 11383 Nachbeben.

 
 

Christchurch - Resilient City

Fotografien von Jana Kempe 15.09. - 19.10.2017

Das Erdbeben vom 22.2.2011 hat innerhalb von wenigen Minuten alles verÀndert.
Die Bewohner von Christchurch haben seit dem eine neue Zeitrechnung: vor dem "Quake" und danach.

Jana Kempe hat diese "Stadt ohne Stadt" 2012/13 und in den Jahren 2016/17 besucht. Ihre Bilder zeigen sowohl die Zerstörungen als auch Stationen eines Wiederaufbaus in der zweitgrĂ¶ĂŸten Stadt Neuseelands und der grĂ¶ĂŸten auf der SĂŒdinsel. Christchurch soll eine resiliente Stadt werden, eine Stadt, die befĂ€higt ist, schnell auf Katastrophen und VerĂ€nderungen zu reagieren, standzuhalten und sich zu erneuern. 2013 wurde sie in das Fitzgerald-Netzwerk der "100 Resilient Cities" aufgenommen.

Es sind keine Fotografien der Naturkatastrophe, des Schreckens. Mit ihren Bildern lenkt die Fotografin die Aufmerksamkeit des Betrachters darauf, was Stadt fĂŒr den Menschen bedeutet. Sie ist der Ort, an dem der Mensch zu sich selbst kommt. Sie ist Architektur gewordene Phantasie und Planung des Menschen, die es ermöglichen, dem Individuum grĂ¶ĂŸtmöglichen Raum zur Entfaltung seiner Potentiale zu geben und doch den friedlichen Umgang dieser Einzelnen miteinander zu regeln. Gleichzeitig Voraussetzung und sichtbares Zeichen dafĂŒr, ist ihre Abgrenzung gegenĂŒber dem Land, der Natur.

Die Erdbeben haben nicht nichts hinterlassen, nicht bloße Natur, sondern sie haben die Elemente der Stadt isoliert. Sie haben damit AngriffsflĂ€che geschaffen fĂŒr den sensiblen Blick der Fotografin. Sie zeigt die FragilitĂ€t der Infrastruktur in ihrer Zerstörung. Aber sie zeigt sie auch dort, wo sie in ihren Bildern die bescheidenen Versuche festhĂ€lt, sie zu bewahren oder rudimentĂ€r wiederherzustellen.
Die Trennung von Privatem und Öffentlichkeit durch WĂ€nde und Fenster ist aufgehoben, viele Fotos lassen sogar offen, ob die Fotografin nach drinnen blickt oder von drinnen fotogra ert. ZĂ€une sind nur unzureichendes Behelf. Die fĂŒr den Übergang aufgestellten Container bieten wieder einen Innenraum. "To contain" heißt nichts anderes als "beinhalten", "in Grenzen halten".
Die leeren WÀnde werden Projektions Àchen der Fantasie, die den Stadtraum in einen Kunstraum verwandeln.

Mit dem Wiederaufbau kommen die bildgewordenen Versprechen auf die Zukunft an die BauzÀune.
Der Begriff "schöne Fassade" bekommt seine eigentliche Bedeutung zurĂŒck: Hinter ihr liegt nicht - wie im kritischen Gebrauch des Begriffs impliziert - das hĂ€ĂŸliche eigentliche Wesen, sondern sie ist sichtbare Form stĂ€dtischen Lebensraumes. Formal zeigt sich dies in den Fotos, die konstruktivistisch den Blick in den Himmel feiern.

Selbst beschÀdigte GebÀude werden durch die Verbindung mit neuer Architektur von Relikten zu Projekten der Erneuerung. Sie werden im Foto integriert und integrieren sich in den Stadtraum.
Ob das neue Christchurch den modernen Anforderungen und den WĂŒnschen seiner Anwohner genĂŒgen wird, wird sich zeigen mĂŒssen. Es wird noch Jahre dauern, bis der Neubau der Innenstadt als abgeschlossen gelten kann.

http://www.christchurchquakemap.co.nz
https://www.chchdilemmas.co.nz
https://nzhistory.govt.nz/keyword/earthquake
https://www.ccc.govt.nz
http://christchurchstreetart.co.nz
http://www.regeneratechristchurch.nz
http://www.ceismic.org.nz